Aufführung zum 300. Geburtstag der Johannespassion

Aufführung zum 300. Geburtstag der Johannespassion

Aufführung zum 300. Geburtstag der Johannespassion

# Musik

Aufführung zum 300. Geburtstag der Johannespassion

Am Samstag, dem 23. März wurde in Hötensleben die Johannespassion von Johann Sebastian Bach aufgeführt. Textlich durch den Evangelienbericht des Johannes inspiriert, erzählt das Passions-Oratorium von der Gefangennahme Jesu bis zu dessen Kreuzigung. In knapp zwei Stunden wird die Leidensgeschichte von Jesus von Nazareth musikalisch in Szene gesetzt und in ergreifenden und kunstvoll komponierten Chorälen und Arien besungen. Die Uraufführung dieses Werkes war vor 300 Jahren, genau am Karfreitag des 7. Aprils 1724.

Die Einladung von Peter Mücksch hatte viele interessierte Chorsängerinnen und Chorsänger aus unseren Chören als auch viele Gastsängerinnen und Gastsänger erreicht, so dass es auf dem Chorpodest erfreulich eng wurde. Mitsing-Projekte funktionieren einfach gut und beleben die Kirchenmusik, wenn sie – wie in Hötensleben zu spüren – sehr gut vorbereitet sind. Eingeladen waren alle, die sich den Notentext selbstständig erarbeiten können oder zu den regelmäßigen Proben der Kantorei Oschersleben oder der Chorgemeinschaft Hötensleben gekommen sind. An zwei Probensamstagen wurde die Gestaltung der teils recht anspruchsvollen Chöre und Choräle besprochen und einstudiert. So bildete sich ein Projektchor, der zweifellos einen sauberen, gut sprechenden und singenden  Chorklang erzeugte, der nicht nur die Freude an der barocken Musik ausstrahlte, sondern diese auch mit einer glaubhaften Anteilnahme nach außen vertrat.  

Aber was macht die Aufführung der Johannespassion für mich noch so besonders? Beispielsweise ergreift es mich in besonderer Weise, dass ich den Hahnenschrei im Heimatdorf zur Nachmittagszeit nochmal anders höre, weil ich sofort an die Johannespassion erinnert werde. Denn ehe der Hahn dreimal krähte wird klar, wer IHN verleugnete. Die musikalische Kraft, die (für mich) vor allem im zweiten Teil der Aufführung entfesselte, fand ich bemerkenswert. Denn dort wurde vom gegeißelten, gemarterten und gekreuzigten Jesus gerungen und gesungen. 

Der Chor ging bis an die Grenzen seiner stimmlichen Möglichkeiten (jedoch nie darüber hinaus!) und stellte die aufgehitze und entesselte Menge des Volkes emotional wuchtig dar. 
Die Solistinnen und Solisten haben sehr eindringlich die einzelnen Characktere dargestellt. Hier gab es schöne kontemplative Ruhepunkte, die die öffentlichen und nichtöffentlichen Teile der „Gerichstverhandlung“ wohltuend unterbrachen. Insbesondere die verzweifelt nach Wahrheit ringenden Begegnungen zwischen Pilatus (Stephan Heinemann) und Jesus (Felix-Tillmann Groth) wirkten spannend.

Ein besonderes Anliegen von Peter Mücksch ist die Gestaltung der Choräle. Sie sind, von Bach gut platziert, auch heute noch in ihrer Funktion als die Stimme der Gemeinde wie ein großer reflektierender Spiegel unserer Seele. Ohne die Choräle wäre das Gesamtgeschehen nicht zu übersehen. Besondere Wörter und Textstellen leuchteten auf wie rote und grüne Ampeln. Chromatische Auf- und Abwärtsbewegungen, die Schlusskadenzen, viele Be- und Unbetonungen, gewollt scharf gesprochene und funkelnde Dissonanzen waren erfrischend. 
Die Tonsprache der Barockmusik lässt uns eine Ahnung davon bekommen, welche frömmige Leidenschaft die Menschen vor 300 Jahren im christlichen Glauben hatten. Nicht weniges davon ist auch heute noch dringlicher denn je.  

Das Bach erfahrende Orchester “saxonia music companey“ unter der Direktion von Roland Schätz hatte einen verdienten Anteil an der Aufführung und Klanggebung des Werkes. 

Als der Schlusschor „Ruhet wohl“ und der Schlusschoral „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ erklangen, musste ich mich mächtig am Riemen reißen (denn da kamen die Tränchen, in der barocken Sprachen „Zähren“). Denn aus der beginnenden düsteren und dunkelsten Geschichte im Christentum wandeltet sich die Musik am Ende in einen trostvollen und starken Aufbruch, der mich an Ostern denken ließ. Da bleibe ich dann gerne bei der Aussage vom Komponisten selbst: „Bey einer andächtig Musiq ist allezeit Gott mit seiner Gnaden Gegenwart.“ 

Pfarrerkantor Peter Mücksch hat in seiner wohltuend unaufgeregten Art eine überzeugende Interpretation geschafft. Die vielen Besucherinnen und Besucher haben das gegenüber dem Chor, den Solisten, den Instrumentalisten und dem Chorleiter mit einem langen und verdienten Applaus herzlich gedankt. 

Ich freue mich für alle Sängerinnen und Sänger, die aktiv teilgenommen haben und wünsche mir, dass wir weiter an unseren gemeinsamen Chorprojekten festhalten. Hier ist der Geist des Zusammenhaltens zu spüren, der in der kirchenmusikalischen Arbeit viele Möglichkeiten der musikalischen Beteiligung und Gemeinschaft (Gemeinde auf Zeit) schafft.

Herzlichen Dank für alle Mühe und Planung an das gesamte Vorbereitungsteam der gastgebenden Kirchengemeinde Hötensleben. 



Herzliche Grüße
Carsten Miseler

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