07.03.2025
Leseandacht zum Sonntag Invocavit
"Zuständig für Zuversicht"
Superintendent Matthias Porzelle ist der Ansicht, dass erfahrene Politiker wie Joachim Gauck wertvolle Perspektiven und eine klare Sicht auf gegenwärtige Herausforderungen bieten und betont dabei die Verantwortung von Christen in der Politik.
Neue Besen kehren gut, aber die alten kennen die Ecken und wissen, wo der Dreck liegt. Diese Weisheit hat mir ein sehr viel älterer Kollege vor fast dreißig Jahren in mein damaliges Sturm- und Dranggemüt geschrieben. Am Dienstag konnte ich einmal mehr erleben, wie recht er damit hatte. Joachim Gauck, unser Altbundespräsident, war im Interview mit Sandra Maischberger zu sehen. Ich hatte ihn früher einige Male live erlebt. Dass er auch mit 85 Jahren klug das Zeitgeschehen kommentiert, überraschte mich deshalb nicht. Beeindruckend war es dennoch. Gauck, der von sich selbst sagt, er sei „eigentlich in Deutschland zuständig für Zuversicht“, schaute fassungs- und schonungslos auf die Situation. Der Groß- und zehnfache Urgroßvater hielt ein flammendes Plädoyer dafür, das Geschenk der Freiheit nicht fahrlässig preiszugeben. Und: Da sprach ein leidenschaftlicher Friedensliebhaber, der weiß, dass Frieden in dieser Welt nicht ohne Abschreckung zu bekommen ist.
In diesem Interview war ein politischer Denker zu erleben, ein Lebenserfahrener. Und ein Pfarrer. Bis 1990 wirkte Gauck als Seelsorger in Rostock. Das ist lange her. Die Erfahrungen aus dieser Zeit stecken ihm aber ganz sicher bis heute in den Knochen. Er redet immer auch als Christ. Sein damaliger Schritt aus dem Pfarramt auf die politische Bühne verlief nicht selbstverständlich und kritiklos. Als Mann der Kirche in die Politik? Muss man da nicht seine Ideale aufgeben? Zumindest ist es herausfordernd.
So herausfordernd vielleicht wie vor fünfhundert Jahren, als Martin Luther Nonnen und Mönche aufrief, das Klosterleben hinter sich zu lassen, um als Christen Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Das Evangelium von Jesus Christus gehört in die Welt. Dieser Weg hat auch bei Luther selbst zu manchen Entscheidungen geführt, die ihm heute vorgeworfen werden. Das war das Risiko. Es ist heute nicht kleiner als damals. Deshalb habe ich hohen Respekt vor allen, die den Weg in die politische Verantwortung nicht scheuen, zumal wenn sie es mit Gottvertrauen tun. Nur Mut, es braucht die Zuständigen für Zuversicht!
Matthias Porzelle
Superintendent des Ev. Kirchenkreises Egeln